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Geschichte der Stadt Konstanz

Das Konstanzer Fastnachtschießen im Jahre 1858

  Bei außergewöhnlich niederm Wasserstande bildet er zwischen dem Leuchtturm und dem nördlichen Seeufer gelegene "Alentrain" genannte Seeteil drei trockene inselartige Flächen. Unsre Altvordern hatten mit ihrem ungebrochenen Humor bald eine Verwendung für die immer wieder neuentstehenden licht- und luftgierigen Inselchen gefunden. Das mittlere und größte erkoren sie sich zu einem Festplatz für ein allgemeines Ehr- und Freischießern. Als Tage wählten sie sich den Fastnachtmontag und Dienstag.
 
Im Jahre 1672, in welchem die Küfergesellen von Konstanz auf dieser Insel zwei Fässer zu einem Angedenken banden, wird das Faschingsschießen zum ersten Male erwähnt. Für dasselbe stifteten "Ehrsamb und Wohlweise Herren Verwalter der Hauptmannschaft, auch Burgermeister und Rath der Statt Costanz einen Silber vergulten Becher von 20 Loth und 3 Quentlein zuo ainem ewigen angedenkhen wegen klaine der Wassers." Hundert Schützen waren anwesend. Unter denselben war Johann Leiner Schützenmeister. "Hans Jörg Spengler hat gewunnen die Ehrengabb." Ein Leinwandgemälde, sowie ein im Großh. Besitze befindliches Glasgemälde, gemalt von dem Konstanzer Wolfgang Spengler, geben uns einen Begriff von dem urfidelen Treiben unserer Ahnen.

Faschingsschießen 1858
 

Am 14. März 1725 wiederholte sich das Freischießen, ebenso am 15. und 16. Februar des Jahres 1858, für welches wir die damals schon ehrwürdige 83jährige "Konstanzer Zeitung" zum Zeugnis anrufen: Sie schreibt: "Der Festzug der Schützen begann am 15. um 11 Uhr von der Markstätte aus, wo sich dieselben in allerlei phantastischen Trachten, worunter auch eine schnurbärtige Amazone, um ihre Fahne versammelt hatten, zur städtischen Kanzlei. Hier wurde dem Stadtrate von der tiefbaßigen Amazone der Schützengruß gebracht und die Ehrengaben in Empfang genommen. Diese bestanden außer dem von der Stadt gegebenen schönen silbernen Ehrenbecher von 14 Loth Schwere, der 70 Franken kostete, noch aus 10 andern teils silbernen, teils sogen. Christoffelwaren in schöner Auswahl. Sie wurden alle, mit Ausnahme des Ehrenbechers, der seinen eigenen Träger hatte, auf einem hübschen hözernen Gestell von zwei jungen Männern getragen, gleich hinter dem lustigen Kautze von einem Zeiger, der seiner Kunst in allen möglichen sonderbaren schiefen und wagrechten Körperbewegungen alle Ehre machte. Hinter den Trägern der Ehrengeschenke folgte die Stadtfahne, in der Mitte zwischen der Fahne der hiesigen Schützen und der neuen Fahne aus der Mainau. Ihnen nach gingen die Vorstandsmitglieder der Schützengesellschaft, gefolgt von den hiesigen und fremden Schützen. Alle warteten wohl bei einer halben Stunde sehnsuchtsvoll auf die um 11 Uhr bestellte Musik, die es aber nicht gut fand, zu erscheinen, weil zu den Vieren der Fünfte sich nirgends finden lassen wollte. Man rechnete dieses Ausbleiben zu den Fastnachtsscherzen, und der Zug bewegte sich sodann unter lautem Trommel- und etwas stark mißtönendem Trompetenschall durch die Straßen der Stadt auf den Schießplatz." Um 1 Uhr nachmittags begann das Schießen und dauerte mit Unterbrechungen bis zum Abend des folgenden Tages. 154 Schützen hatten teilgenommen, einschließlich der auswärtigen Gäste von Allmannsdorf, Bodman, Bürglen, Emmishofen, Kreuzlingen, Langenrain, Litzelstetten, Mainau, Neuweilen und Urnau. Zum Schusse aber kamen nur 102. Geschossen wurde minder gut, weil "schlechte Witterung krumme Finger und schlotternde Gliederbewegungen verursachte." Das Volk strömte in Mengen daher, und da die Zugänge zum Schauplatze nur schmal und die Ueberbrückung überaus schwach war, gab es manchen "Wasserfall", der, wie der Berichterstatter von 1858 berichtet, allerdings "kein besonders wertvoller Beitrag zum allgemeinen Vergnügen bildete". Doch fehlte es nicht an andern Volksbelustigungen. Auf der dritten, südlich gelegenen Insel, war ein Karussell " mit einer gräßlich mißtönenden Musik, aus einer großen Trommel und ein paar alten Deckeln bestehend". Da ergötzten sich die Mädchen und Knaben. Die älteren unter ihnen trieben "Sackjucken" und "Klettern" an einer abgeschälten Tanne, "in deren Zweigen einige Geschenke für diese halsbrecherischen gymnastischen Uebungen sich befanden, welche sich mehr für Matrosen als für Landratten eignen". Die Alten jubelten einem "schwäbischen" Deklamator (A.d.B.: Vortragskünstler) zu, gaben sich dem Tanzvergnügen hin und ließen sich zum "Jux" rasieren. Hatte im Jahre 1672 ein einziger Wirt, "Hans Zeller, genannt der Katzenhans, gemargadent", so sorgten Anno 1858 für den Magen, den Abgott vieler Menschen, drei Buden mit Speisen und Getränken aufs reichlichste. Am 16. abends war Gabenverteilung, die durch Kanonendonner verkündet wurde. Den Ehrenbecher der Stadt erhielt als ersten Preis Konrad Brielmayer. Als es dunkelte, zog man heimwärts "unter harmonischer Begleitung der Trommel und Trompete. Ein soderbar neckisches Geschick wollte abermals, daß der erste Preisschütz verloren gegangen war und nirgends aufgefunden werden konnte, wie beim Anfange der Handlung der fünfte Musikant. Mit dem Schicksals Mächten ist eben nicht zu rechten, dachten die Uebrigen, ließen sich die Sache nicht anfechten und brachten hocherfreut Weib und Kinder die glücklich erbeuteten Gaben nach Hause. So endete ein nur selten gefeiertes Fest." Am Abend war eine stark besuchte maskierte Abendunterhaltung der Sängerrunde Bodan und im Bürgermuseum ein schön maskierter Ball. Die Leute waren mit dem 15. und 16. Februar sehr zufrieden und meinten "schon lange keine so allgemeine, heitere Fasching mehr in Konstanz" gehabt zu haben. "Es erwache die alther weit und breit bekannte Gemütlichkeit und Heiterkeit Constancie's zu neuem Leben." Ja, sie erwache!


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Quellen
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25.12.2009
Uli Topka
Die "goldene Elefantenchronik", "Konstanzer Zeitung" und "Südkurier Ausg K" vom 14.01.2006