Geschichte der Konstanzer Fasnacht |
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Die Konstanzer Fasnacht 1882
»Am Fasnachtsdienstag Mittags ein Uhr versammelten sich die Genossen im bestimmten Anzuge und zwar mit blauer Blouse und weißen Zipfelkappen im Schiff, von wo aus sich der Zug nach der Stadt bewegte. In der Restauration Schneble (Griener) im Gasthof zum Falken und in der Bierbrauerei zur Sonne wurde eingekehrt.« So beschreibt Stephan Einhart den Fasnachtsumzug der Paradieser im Jahre 1882. Der Umzug fand in der »Konstanzer Zeitung« allerdings keinen großen Widerhall, doch davon später. Die Proben zu diesem Maskenzug förderten gleichzeitig die Abzahlung der Trommel, denn für Strafen wurden den Narren vier Mark und zwanzig Pfennig abgeknöpft. Rauhe Sitten! Wofür diese Bußen bezahlt werden mußten, ob für falsches Blasen, schlechtes Pauken oder »Probeschwänzen«, das verschweigt unser Gewährsmann.
Der schlichte, reizvoll zu lesende Bericht des Schriftführers über den ersten Umzug der Paradieser Narren weckt die Neugierde, einmal in den alten Zeitungen nachzublättern, was in jenem Gründungsjahr, zur Zeit unserer Ururgroßväter, an den Fasnachtstagen in Konstanz so alles geboten wurde. Schlagen wir die vergilbten Seiten der Zeitung (Konstanzer Zeitung, Nr. 38, 14.2.1882) auf: »Die diesjährigen Faschingsvergnügen wurden vorgestern Abend [A.d.E.: Samstag vor dem schmutzige Dunschtig] durch den Maskenball des Bürgermuseum eröffnet. Während die Gesellschaft in früheren Janren diesen Ball im "Badischen Hof" abzuhalten pflegte, wählte sie diesmal mit Rücksicht auf die bedeutend, größere Mitgliederzahl den "Insel-Hotel"-Saal und es muß zugestanden werden, daß sie damit keinen Fehlgriff gethan hatte. In dem prächtig dekorierten Saale wogte eine bunte Menge von Masken umher, zum Theil in recht geschmackvollen Kostümen (...). Während der Zwischenpausen wurden mehrere Aufführungen in Szene gesetzt, wozu am Ende des Saales eine kleine ganz hübsch dekorierte Bühne aufgeschlagen war. Eröffnet wurden die Vorstellungen durch eine Quadrille, welche von zwölf in alt deutschen Kostümen gekleideten Paaren ausgeführt wurde. Der auf's exakteste eingeübte Tanz fand vielen Beifall und mußte später nochmals wiederholt werden. Hierauf folgte, von einem Mitglied vorgetragen, ein "Narrengruß" , ferner eine Solo-Szene: "Ein gebildeter Droschkenkutscher", dann ein humoristisches Terzett: "Die Skat-Parthie", welche alle recht gut vorgetragen und lebhaft applaudiert wurden. In Originalkostümen erschien die "Familie Rainer aus dem Zillerthal", welche begleitet von zwei Zitherspielerinnen ihre Tiroler-Weisen ertönen ließen und schließlich noch einige Schnaderhüpfeln als Zuthat zum Besten gab. Der Schluß bildete ein Original-Schwank: "Ein Testament mit Hindernissen", welcher so recht geeignet war, die Lachmuskeln der Zuschauer in Bewegung zu halten. Sämtliche Vorträge ernteten reichen Beifall und gebührt den Mitwirkenden sowohl als dem Leiter des Ganzen für das gelungene Arrangement die vollste Anerkennung.« In dieser Beschreibung erkennen wir den »Urahn« unserer heutigen Narrenkonzerte.
Ähnlich war es beim Ball der Sängerrunde Bodan am folgenden Mittwoch vor dem "Schmutzige Dunschtig" (Artikel der KNZ, Nr. 41, 17.2.1882): »Der erste Theil des Festprogrammes enthielt vier Nummern, welche mehreren Bodanern und Bodanesinnen Gelegenheit gaben, in den freien Künsten des Gesanges resp. Tanzes ihre Talente zu entfalten. Sämtliche Piecen der Chor: "Die Klatschzungen", das Duett: "Die Bodanschwestern", komische Operette "Der todte Schneider" und der "Nationaltanz", wurden recht tüchtig durchgeführt und gereichten dem Ballpublikum zu großem Vergnügen. (...) Der obligate Schlußgalopp endete den Ball erst Morgens gegen 5 Uhr.«
Das gesellschaftliche Ereignis der »oberen Zehntausend» war der Ball des Museums am Fasnachtssamstag im Inselhotel. »Museum« hieß im Gegensatz zum Bürgermuseum, die gesellige Vereinigung der Adeligen, Edelleute und hohen Beamten, die in jener Zeit noch in großer Zahl in unserer Stadt ansässig waren. Der Glanz jener blaublütigen, elitären Gesellschaft zog die Neugierde und die Bewunderung der einfachen Bürger auf sich. Sogar der Redakteur der »Konstanzer Zeitung« geriet beim Anblick des märchenhaften Glanzes von Adel und Beamtentum in wortreiche Verzückungen (Artikel der KNZ, Nr. 44, 21.2.1882): »Ein anmuthiges, farbenprächtiges Bild war es, das sich dem Beschauer darbot, wenn er von dem erhöhten Standpunkte in einem der oberen Säle aus seine Blicke über die heiterbewegte Schaar der Ballgäste schweifen ließ. Sowohl geschmackvolle, wie auch charakteristische und reiche Kostüme ließen sich da in Fülle sehen; Kostüme welche in Phantasie und Eleganz, oft auch eine wirklich künstlerische Auffassung bezeugten wogten in bunter Mannigfaltigkeit durcheinander. Hundert Augen hätte man haben mögen, um alle die fesselnden Eindrücke auf einmal in sich aufzunehmen. (...) Das ebenso anregende wie gemütliche Ballvergnügen nahm dem Programm gemäßen Verlauf. Nach Umfluß der ersten Hälfte fand das gemeinschaftliche Abendessen statt, an welchem sich nicht weniger als 220 Personen betheiligten. Der Höhepunkt des zweiten Theiles bildete der Cotillon, welche durch eine Menge heiterer, oft überraschender Touren die fröhliche Stimmung der Anwesenden aufs glückliche unterstützte und gleich dem gesamten Arrangement der Balleitung zu vollem Lobe gereichte. (...) Die Fenster des Saales waren während des ganzen Abends außen von einer schaulustigen nach Hunderten zählenden Menge förmlich belagert. Dieselbe muß vom Geschehen ganz begeistert gewesen sein, denn es bedurfte mehrfacher Ermahnung um sie von ihrer allzugroßen Theilnahme abzubringen.«
(Artikel der KNZ, Nr. 44, 21.2.1882):
»Das Faschingsleben auf den Straßen kam gestern [A.H.H.:
Fasnachtssonntag] nur in spärlicher Weise zur Entfaltung, was wohl zum
Theil auch auf Rechnung der Witterung zu setzen sein wird. Hübsche
originelle
Masken traten nur vereinzelt auf, das ganze
Faschingtreiben lag sozusagen in den Händen einiger
Hanselis und der
gewohnten
Gestalten im Schlafrock mit weißer Zipfelmütze (A.d.E:
Hemdglonker) . Trotzdem
war am Nachmittag halb Konstanz auf der Marktstätte und in der
Kanzleistraße versammelt.«
Es trieben sich weitaus mehr schaulustige Bürger in den Straßen
der Stadt herum als närrische Mäschkerle, und man konnte gespannt
sein, was der Fasnachtsmontag, der Haupttag närrischer Umtriebe, bringen
würde, aber das fasnächtliche Treiben unterschied sich in keiner
Weise vom Vortag. Die Konstanzer warteten weiter vergeblich auf ihre Fasnacht.
»Auch am gestrigen
Faschingsmontag«, so berichtet die »Konstanzer
Zeitung« (Artikel der KNZ, Nr. 45, 22.2.1882), »bewegte sich das
Fastnachtsleben auf den Straßen in sehr bescheidenem Rahmen. Neugierige
waren in Menge auf den Straßen versammelt, aber die Masken fehlten.
Es scheint,
daß auch in Konstanz, wie bereits an anderen Orten geschehen, das
Faschingsvergnügen sich immer mehr in die Ballsäle zurück
konzentriert. So hörten
wir, daß der von der
Harmonia
Paradies am Sonntag im
"Falken" abgehaltene
Ball sehr stark besucht war, desgleichen das
gestrige "Kränzchen" des
Bürgermuseums im "Museum" und der Ball der
Gesellschaft
FROHSINN im "Bad. Hof".
Eine heitere Stunde erlebten wir gestern Nachmittag im Zirkus "Hokini"; in
demselben produzierten sich Mitglieder des hiesigen
Turnvereins in der höheren Akrobatie, auf englisch
gedrehtem Seil und in Kraftübungen und ernteten die Mitglieder für
ihre Leistungen mehrfachen Beifall. Der Zirkus war gut besucht. Gleichzeitig
fand gestern der angekündigte
Faschingszug der Arbeiter der Gießerei (A.H.H.:
heute Rieter-Werke, Schneckenburgstraße) zu Pferd, zu Wagen und zu
Fuß statt. - Das heutige Vergnügen wird durch den eingetretenen
Schneefall wahrscheinlich beeinträchtigt werden.«
Die meisten Konstanzer trauten sich
nicht im fasnächtlichen Häs auf die Straße zu gehen, aber
sie warteten geduldig in den kalten Straßen, ob nicht vielleicht andere
endlich mit dem Maskentreiben anfingen. In diesem Jahr war gar nichts geboten,
und selbst die im Jahr 1880 gegründete
Elefanten
AG blieb völlig
untätig. So mußten die Zuschauer wohl oder übel auf den letzten
Fasnachtstag des Jahres 1882 warten, auf den sich unsere Narrenfreunde im
Paradies mit zahlreichen Proben vorbereitet hatten. Blättern wir weiter
in den vergilbten Seiten der »Konstanzer Zeitung« (Artikel der
KNZ, Nr. 46, 23.2.1882):
»Museum,
Bodan und Eintracht hielten
gestern [A.H.H.: Fasnachtsdienstag] Ihre Schlußkränzchen ab, welche
stark besucht waren und in gewohnter Lustigkeit verliefen.
Öffentliche
Maskenbälle fanden
in mehreren Wirtschaften statt.« Der Brauch, die Fasnacht zu verbrennen,
war in Konstanz damals noch nicht üblich.
»Was das Straßenleben betrifft«, berichtet die Zeitung weiter,
»so machten die Mitglieder der
Harmonia
Paradies trotz der
unfreundlichen Witterung einen
Maskenzug mit Musik durch die Stadt; eine besondere
Darstellung war mit demselben nicht verbunden. Auf der Marktstätte sprangen
die
Hanseli auf und ab, dann und wann erschien eine
Maske in einem umgewandten Rock oder einer ähnlich geistreichen
Kostümierung, sonst passierte aber rein gar nichts. Die Zuschauer bummelten
gelangweilt herum und blieben nur deßwegen da, um sich zu überzeugen,
daß wirklich nichts vorkomme. Gegen Abend verschwanden die meisten
Hanseli, doch hörte man bis spät in
die Nacht ein wüstes Gejohl in der Straße*), zum Theil von Schulknaben
herrührend, welche um diese Zeit schon lange in's Bett gehört
hätten. Es ist gut, daß der Aschermittwoch wieder da ist und diesem
traurigen Straßenfasching ohne Witz und Humor ein Ende macht. Wenn
man den Brauch der Maskerade überhaupt beibehalten will, so sollten
doch künftig geeignete Persönlichkeiten die Sache in die Hand nehmen,
um dieselbe auf einem etwas höheren Niveau zu halten.
*) Eine besondere Rüge verdient die Herabwürdigung der "Wacht am
Rhein" zu einem Faschingsgebrüll. Je weniger wir einem polizeilichen
Eingreifen das Wort reden möchten, um so mehr verlangen wir, daß
das Publikum selbst durch seine Haltung derartige Ungebührlichkeiten
nicht aufkommen lasse.«
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10.05.2003 Uli Topka Konstanzer Fasnacht, Herbert Hofmann, 1985 |