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Geschichte der Konstanzer Fasnacht

Die Konstanzer Fasnacht 1885

Stephan Einhart berichtet in seinem Protokollbuch (Kamelia-Jahresberichte von 1882-1892, Bericht 1885): »Wie schon manches Jahr, so auch dieses, machte unser Narrenvater Richard Hörenberg die Leute aufmerksam sich zusammen zu thun um diese Fasching einen Zug durch die Stadt zu veranstalten, wobei derselbe gleich betonte, daß ohne Geld nichts anständiges anzufangen wäre. Dieser Antrag wurde sofort von sämtlichen Anwesenden mit einem kräftigen »Narro, Narro Siebe sie« entgegengenommen, es drückten sich sofort sämtliche aus, daß es an Geldmitteln nicht fehlen solle. Es wurden dann mehrere Narrenabende abgehalten zu welchen unsere Bürgermusik engagiert wurde, welche wesentlich dazu beitrug die Narrenfreunde bei jeder Zusammenkunft so lange beieinander zu behalten, und das nöthige Geld hierzu zusammen zu bringen. Die Narrenabende wurden abwechslungsweise in den verschiedenen Wirtschaftsräumen in unserer Vorstadt Paradies abgehalten. Bei welchen verschiedene närrische Stücke vorgetragen wurden, so z. B. das Tromedar, welches manche Heiterkeit hervorgebracht und auch unseren Geldbeutel spickte, ferner der Zauberkünstler, und der Traubenbrusthonighändler, welcher manchem der Anwesenden von seinen langen Schmerzen geholfen hat, welcher seinen Erlös ebenfalls zu Gunsten der Narrenkasse zusammenrafte.« Immerhin kam das bescheidene, durch Spenden der Paradieser Bürger aufgebesserte Sümmchen von 94,03 Mark zusammen. Und man einigte sich sogar auf ein Umzugmotto: »Die vier Jahreszeiten« sollten aufgeführt werden ...

Inzwischen zogen die Fasnachtstage ins Land, und die Kanzleistraße und die Marktstätte boten ein buntes Bild (Artikel in der KNZ, Nr. 47, 17.2.1885): »Eine vielhundertköpfige Menschenmenge wogte auf und nieder, um sich an dem durch die Witterung begünstigten Faschingstreiben zu beteiligen. Außer einigen Hanseln mit ihren bekannten »Bist au do« oder »Gelt, Du kennst mi nit« waren übrigens nur wenige Masken zu sehen. Den Mittelpunkt des Treibens bildete der von der Elephanten AG im Posthof veranstaltete »Größte Zirkus der Welt«, welcher gestern Nachmittag das Publikum mit zwei Hauptvorstellungen erfreute. Der Zirkus war beidemal zum Erdrücken voll, was für die brillanten Leistungen, welche hier geboten werden, den deutlichsten Beweis liefert ...« Nach der gleichen bewährten Idee wie in den vorangegangenen Jahren veranstalteten die Elefanten zuerst im Posthof eine attraktive Ausstellung mit originellen Aktionen zu ihrem ausgewählten Motto, die das Publikum für ein kleines Eintrittsgeld besichtigen konnte. Am Fasnachtsdienstag stellten sie dann wieder aus der Ausstellung einen glanzvollen Umzug zusammen. In diesem Jahr konnte man auf die Fasnacht gespannt sein, denn es sollten diesmal zwei Umzüge durch die Straßen der Stadt ziehen: die Elefanten mit ihrem »Größten Zirkus der Welt« und die Paradieser mit den »Vier Jahreszeiten«. Und so sah die Programmfolge des ersten großen Umzugs der Paradieser aus (Kamelia-Jahresberichte von 1882-1892, Bericht 1885): »Der erste Wagen mit Musik 6 Mann. Der zweite Wagen mit 8 Personen den Frühling darstellend und zwar Gärtnerei und Baumzucht. Der dritte Wagen mit 9 Personen den Sommer darstellend mit Mäder und Schnitterinnen. Der vierte Wagen mit 8 Personen den Herbst darstellend mit Mosterei und einem belaubten Baum mit Äpfeln. Der fünfte Wagen mit 10 Personen den Winter darstellend mit Spinnerinnen, Jäger und einem Spieltisch. Der sechste Wagen mit vier Personen ebenfalls Winter darstellend mit Dreschern und einer Blaumühle den Schluß bildend. Es wurde dann noch ein weiteres Fuhrwerk eingeschoben und zwar mit Narren Vater, Narren Mutter und dessen Sohn. Es waren auch einige Festreiter und einige Hansel bei dem Faschingsumzug anwesend. (...) Mittags ein Uhr versammelten sich die reichgeschmückten Wagen beim Gasthof zum Schiff im Paradies, von dort bewegte sich der Zug gegen die Stadt, in welcher verschiedene Straßen passiert wurden, wo wir überall reichen Beifall fanden, und zu unserer Freude hörten, daß derselbe über alle Erwartungen trotz der Elephanten ausgefallen sei. Es wurde dann in der Brauerei "zum Sak" Einkehr gemacht, wo uns der gute Stoff vorzüglich mundete, von dort wurde auf Verlangen noch einige Straßen passiert und dann wieder dem Paradies zugefahren. Zum Schlusse dieses Fasching wurde des Abends noch in sämtlichen Wirthschaften des Paradieses gekneipt, bei welcher sich auch unsere Musik betheiligte, welche es ermöglichte die Gesellschaft in amüsiertester Weise bis zur späten Mitternachtsstunde beisammen zu halten. Auch fehlte es zum Schluße an einem Tänzchen nicht. Nachher bewegten sich die Leute mit fröhlichem Herzen allmählich der Heimath zu.« Soweit der Bericht über den glücklichen Tag der Paradieser Narren.
 Werfen wir noch einen Blick in die »Konstanzer Zeitung«, was diese über den Faschingsdienstag zu berichten hatte (Artikel in der KNZ, Nr. 49, 19.2.1885): »So viele Leute, wie gestern, hat Konstanz wohl schon lange nicht mehr gesehen. Kopf an Kopf standen sie an der Bahnhofstraße und an der Marktstätte, um sich den von der
Elefanten AG veranstalteten Zug anzusehen. Das Arrangement des letzteren war gut. Eine lange Reihe von Wagen führte uns sämtliche an dem Zirkus mitwirkenden in schöner Gruppierung vor. Es herrschte eine Stimme des Lobes und der Anerkennung für die Gesellschaft. Recht hübsch war auch ein Zug der Paradieser, die vier Jahreszeiten vorstellend.« Den Paradiesern standen nicht die finanziellen Mittel wie der Elefanten AG zur Verfügung, denn bei deren Aufführungen im Posthof »dürften« - wie die Zeitungen vermutet - »die Einnahmen sehr bedeutend sein«. Aber die Paradieser verstanden es schon immer, sparsam zu haushalten, und so blieb ihnen von den ursprünglich gesammelten 94,03 Mark immerhin noch ein Überschuß von 59 Pfennig. Mit der Genugtuung, bei diesem Anfangserfolg ihres Umzuges gegenüber der Elefanten AG bestanden zu haben, und daß auch die finanzielle Seite stimmte, ging's weiter »degege«.


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22.05.2003
Uli Topka
Konstanzer Fasnacht, Herbert Hofmann, 1985