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Geschichte der Konstanzer Fasnacht

Die Konstanzer Fasnacht 1888

Den Auftakt der Fasnachtszeit des Jahres 1888 machten, wie in all den Jahren zuvor, die zahlreichen Saal- und Ballveranstaltungen der Konstanzer Vereine, sogar der »Arbeiterfortbildungsverein« beteiligte sich im »Falken« an diesem standeslosen fröhlichen Treiben.
Für die in diesem Jahr kalendarisch wieder recht günstig gelegene Fasnacht trafen sich die
Paradieser gleich nach Neujahr zur ersten Narrenversammlung, und da ging es so richtig »vereinsmäßig« zu. (Kamelia-Jahresberichte von 1882-1892, Bericht 1888) Man fühlte sich nämlich nach den Erfahrungen früherer Veranstaltungen von der »Musikgesellschaft Paradies« übers Ohr gehauen, und die Versammlung regte an, mit der Kapelle diesmal ein festes Honorar auszumachen. Aber man wurde mit den Paradieser Musikanten nicht handelseinig, und so beschloß man, sich in der Stadt nach einer geeigneten Musikabteilung umzuschauen, »welche Mühe nicht umsonst war, (trotz energisches Arbeiten einzelner Herren Musiker) indem uns eine Abtheilung der städtischen Musikkapelle zur Verfügung gestellt wurde«. Mit dieser vereinbarten die Paradieser Narren ein festes Honorar für alle Termine, an denen sie spielen mußten, und die Paradieser Bürgermusik hatte das Nachsehen. (Kamelia-Jahresberichte von 1882-1892, Bericht 1888) »Es wurden drei Narrenversammlungen in den verschiedenen Wirthschaften im Paradies abgehalten. Bei welcher jeweils die Musik bereitwillig mitwirkte. Vor Beginn jeder Narrenversammlung wurde mit Musik durch die Straßen marschiert, wobei der Narrenvater abgeholt wurde, welcher meistens einen kreuzfidelen Humor mitbrachte, bei diesem närrischen Marsche fehlte es selbstverständlich nicht an Narrenfreunden. Im betreffenden Lokale angelangt wurde die Narrenversammlung mit einem kräftigen Narro Narro sibosi eröffnet. Es wurde beschlossen einen Maskenzug zu veranstalten. Als das passendste von allen vorgeschlagenen Spielen, wurde mit großer Narrenfreude beschlossen, den vor zwei Jahren ausgeführten Maskenzug dieses Jahr weiter auszuführen und zwar Civilisation in Kamerun.« Die im Jahre 1884 von dem Afrika-Forscher und deutschen Kommissar Nachtigall zum deutschen Schutzgebiet erklärte Kolonie etwa von der Größe des damaligen Deutschen Reiches regte weiterhin die Phantasie der »Kameler« an. Warum auch nicht, denn schließlich hatten sie inzwischen mit Kamerun schon einschlägige närrische Erfahrungen gesammelt und außerdem einen beachtlichen Erfolg erzielt, der sogar die an Mitgliedern besser ausgestatteten »Dickhäuter« in Erstaunen versetzte. Nachdem man sich über das Motto geeinigt hatte, kam wieder das wichtigste Thema zur Sprache, nämlich das Geld: Man setzte den Mitgliederbeitrag für dieses Jahr fest, wonach die männlichen »Mitwirkenden« 2 Mark und die weiblichen 1 Mark zu zahlen hatten. Es wurde dabei ausdrücklich betont, daß nach oben keine Grenzen festgelegt seien. Um aber der Paradieser Fasnachtsgemeinde weiteres Kleingeld aus den Taschen zu locken, ließen sich die aktivsten Narren der Gesellschaft wieder einiges einfallen. Stephan Einhart erzählt über das lustige Treiben im Paradies: (Kamelia-Jahresberichte von 1882-1892, Bericht 1888) »Bei der Narrenversammlung in der Wirthschaft "zur Schweizergrenze" wurde von unserem Narrenfreund Adolf Einhart [A.H.H.: der »Amerikaner«] ein so genanntes Wurfspiel aufgestellt, welches Stephan Einhart zur Aufbewahrung übergeben wurde. Bei dieser Gelegenheit amüsierte man sich über eine Stunde, weil dabei sehr viel Spaß hervorgerufen wurde, drei Wurf kosteten 10 Pfennig, wer dabei alle drei Wurf getroffen hatte, gewann - eine Cigare, es wurde dabei der Kasse ein nicht unbedeutendes Schärflein beigetragen. Bei einer weiteren Narrenversammlung und zwar im Gasthof "zum Schiff" erschien die Narrenmutter in Nationaltracht, versehen mit Dettinger - und Confekt, welches dieselbe zu Gunsten Narrenkasse verkaufte und die schöne Summe von bereits dreizehn Mark erlöste.« Man beschloß, in diesem Jahr den Fasnachtsumzug am Fasnachtsmontag abzuhalten, um den Dienstag »noch in aller Gemüthsruhe mitmachen zu können«. Auch in diesem Jahr wollte man Programme drucken lassen, allerdings in einem größeren Format und in reichhaltigerer Ausstattung mit humoristischen Witzen.

(KNZ, Nr. 38, 14.2.1888) Der »Schmutzige Dunschtig« fiel auf den 9. Februar. Morgens hörte man schon die Kinder auf dem Weg zur Schule die fröhlichen Konstanzer Narrensprüche rufen. Am Nachmittag entwickelte sich ein bißchen Narrentreiben, und beim Einbruch der Dunkelheit »zogen dann die spektakelnden Hemdglonker mit schauerlicher Musik durch die Straßen.« Ziemlich »flau« verlief der Fasnachtssonntag trotz schönem Wetter. (KNZ, Nr. 38, 14.2.1888) »Wohl bewegte sich Nachmittags eine große Menschenmenge (...), indessen der Hanseli's waren nur wenige erschienen, und die guten Witze waren noch rarer. Einige originelle Masken tauchten ab und zu auf, so einzelne Studentinnen, ein hoher französischer Offizier mit Gefolge, der sich unsere Stadt zeigen ließ u.s.w. Das schönste was sich sehen ließ, war ein sehr geschmackvoll zusammengestellter »Jagdzug«. In durchweg stilgerechten Kostümen bewegten sich voraus ein Jäger mit einer Koppel Jagdhunde, ihm folgten die Treiber, diesem die fröhlich schmetternde Musik. Weiter kamen ein schmucker Vorreiter, die Jagdherrschaft (Herr und Dame) zu Pferd und nach diesen ein mit Tannen und Gesträuch und allerlei jagdbaren Getier gezierter 4spänniger Wagen; Im Hintergrunde thronte, von zwei Jägern umgeben, die Göttin der Jagd. Der Zug schloß ein von 4 schön geschmückten Pferden gezogener und sachkundig geleiteter Jagdwagen.« Am Abend zog dann noch unter »fürchterlichem Trommelschlagen« eine Abteilung ehemaliger Stadtsoldaten unter Lampionbeleuchtung durch die Straßen. (KNZ, Nr. 38, 14.2.1888) In der Nacht vergnügten sich die tanzlustigen Konstanzer in den verschiedenen Lokalen und auf zahlreichen Bällen. Dabei erhielt der beliebte traditionelle »Schwedenball« im »Insel-Hotel« wieder einen besonders großen Zulauf. (KNZ, Nr. 34, 10.2.1888) »Der Maskenball »à la Schweden«, welcher jedes Jahr im Inselhotel stattfindet, will dem nichtvereinsangehörigen Publikum ein ungezwungenes und hochanständiges Maskenvergnügen bieten«.
Wenn wir uns die wartende Zuschauermenge, die tagsüber die Marktstätte auf- und abwogte, vorzustellen versuchen, so sollten wir bedenken, daß das Bild damals von den vielen Soldaten der Konstanzer Garnison mit ihren preußisch-blauen Röcken, roten Aufschlägen, grünen Achselstücken, blauer Mütze mit rotem Band sehr entscheidend geprägt wurde. Einerseits stellten die Soldaten einen relativ großen Teil der Zuschauer, andererseits lebte die
Saalfasnacht von der weit über Konstanz hinaus berühmten Regimentskapelle unter der Leitung von Konstantin Handloser. Sie war im unermüdlichen Einsatz auf den Bällen und bei den verschiedensten Veranstaltungen. Sie sorgte für den nötigen Schwung und die zünftige musikalische Stimmung. Überhaupt wurde das rege kulturelle musikalische Leben in Konstanz von Konstantin Handloser und seiner Regimentskapelle in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts begründet. Die Militärmusiker bildeten gleichzeitig das erste »Symphonie-Orchester« in Konstanz. Sie veranstalteten regelmäßige Kammer- und Sinfoniekonzerte. Manche Saalveranstaltungen und Unterhaltungsabende wären an Fasnacht ohne den Einsatz der Regimentsmusiker damals gar nicht möglich gewesen. Damit die unermüdlichen Musikanten nach ihren zahlreichen Einsätzen auch zu ihrem Vergnügen kamen, veranstalteten die Regimentsmusiker alljährlich für sich, ihre Angehörigen und ihren engeren Freundeskreis einen eigenen Fasnachtsball im Inselhotel. Diese alljährliche Veranstaltung zur Fasnachtszeit wurde so bekannt und beliebt, daß es zu den heißbegehrtesten Wünschen Konstanzer Musikliebhaber gehörte, einmal wenigstens dabei gewesen zu sein.
Nach diesem kurzen Abstecher in das Musikleben unserer Stadt kehren wir wieder zurück zum früheren Haupttag der Konstanzer Narren, dem
Fasnachtsmontag des Jahres 1888 (KNZ, Nr. 40, 16.2.1888): »Den Vogel hat diesmal entschieden die »Kamelia Paradies« abgeschossen«, berichtet die »Konstanzer Zeitung«, »mit dem prächtigen Umzug, den sie am Montag Nachmittag veranstaltete. Wie schon erwähnt, stellte sie auf 8 Wagen die »Civilisation in Kamerun« dar, und sie löste ihre Aufgabe mit allgemein verdientermaßen anerkanntem Geschick und Geschmack. Zwei Reiter eröffneten den Zug, worauf die aus Künstlern erster Größe zusammengesetzte Hofkapelle des King Bell folgte, welch letzterer selbst mit Gemahlin und Erbprinzessin im nächsten Wagen gravitätisch einherführ. Der 3. Wagen zeigte uns eine schon ziemlich stark gemischte jugendliche Bevölkerung in der Morgenstunde. Die schwarzen Mütter waren einzig bemüht, die kleinen europäisch anzukleiden, was denn auch einigen nach und nach gelang. Die meisten indessen hatten teils die Beinkleider als Röcke und diese umgekehrt als Beinkleider benutzt etc. Auf dem 4. Wagen befand sich eine Anzahl pechschwarzer ABC-Schützen, die von ihrem imponierten Magister Stutz eben unterrichtet wurden. Derselbe hatte indessen ordentlich Mühe seine hopfenden und Grimassen schneidenden Schülern etwas beizubringen. Daß die Kinder aber nicht ohne Talent waren, bewiesen ihre Leistungen auf der Schiefertafel, die sie in einem fort dem Publikum freudestrahlend vorzeigten. Auch nicht ganz ohne musikalisches Gehör waren die kleinen schwarzen Reichsbürger. Nachdem ihnen nämlich der Lehrer vom Katheder herunter mit seiner Fiedel die Töne der »Wacht am Rhein« vorgedudelt hatte, sangen sie das Lied gar nicht so übel. Die folgenden vier Wagen stellten die Fortschritte in Kamerun auf militärischem Gebiet dar. Auf dem 5. Wagen nämlich war eine die Montierungskammer markierte Strohhütte angebracht, vor der die als Rekruten eingezogenen schwarzen Söhne eingekleidet wurden. Mit Mühe und Not brachte man schließlich die Kerls in die Waffenröcke und Zwilchkittel rein; doch kaum glaubte der schneidige Chef der Montierungskammer, Sergeant Fichte, die Sache abgethan, da hatten die Tölpel schon wieder ihre Kittel und Röcke herunter und als Schürzen oder Hosen benützt. Der Nächste (6.) Wagen brachte schon bessere Zustände; da standen wenigstens die Schwarzen einigermaßen wie Soldaten da. Unter dem bewährten Kommando des Trillmeisters Tattl wurden sie zu den großen Manövern vorbereitet. Die sich nach alle Richtungen hinzielenden Helme wurden den Dickköpfen rücksichtslos zurechtgesetzt, Gewehrgriffe, Links- und Rechtsrum, kehrt und was sonst ein guter Soldat verstehen muß, wurden ihnen mit Energie unter Zuhilfenahme von allerlei Kraftausdrücken beigebracht. Mit den Kulturfortschritten der Kameruner und der Vermehrung der Weißen wurde allmählich auch der Marktverkehr Bedürfnis. Diesen stellte der 7. Wagen dar, und wie es dabei zuging, mag man aus der bedauerlichen Tatsache entnehmen, daß der Markt auf der »Schwindelstraße« etabliert war. In direktem Zusammenhang damit zeigte sich denn auch die Notwendigkeit, für geordnete Rechtspflege zu sorgen, und auf dem Schlußwagen sah man bereits den Gerichtshof mit Aburteilung eines Kameruner Bösewichts beschäftigt. - Allen Respekt vor den Paradiesern, die unseren Fasching durch diesen in jeder Beziehung gelungenen Umzug verschönt haben.« Die Kameler-Narren hatten mit ihrem Umzug, unter dessen Motto sie die Segnungen der Zivilisation karikierten, ihren bisher größten Erfolg. Das gab ihnen den Ansporn zu weiteren Taten.

(KNZ, Nr. 40, 16.2.1888) In diesem Jahr waren die sonst so regen und phantasievollen Elefanten von der Bildfläche der Konstanzer Straßenfasnacht völlig verschwunden. Das nahmen die Paradieser zum Anlaß für einen besonders gelungenen Spaß am Fasnachtsdienstag. Am Nachmittag zogen sie, in hellen Haufen mit Laternen, Spießen und Stangen ausgerüstet und von einer Musikkapelle begleitet in die Stadt, um die vermißten Elefanten zu suchen. »Im Posthof, wo sonst die Aufführungen der »Elefanten« stattgefunden hatten, durchsuchten sie vergeblich das letzte Winkelchen und zogen dann unter großem Halloh der dichtbevölkerten Straßen wieder ab.« Die Suche blieb vergeblich, denn es konnten in diesem Jahr nicht die geringsten Spuren von den Dickhäutern weder im Posthof noch in den Straßen der Stadt gefunden werden. Dafür tauchte plötzlich aus dem Nichts eine völlig neue Narrengesellschaft auf: der »Schärmuser Klub« (auf Schriftdeutsch: Schermauser). Der Begriff ist heute kaum noch bekannt, aber was er bedeutet, zeigte die Gesellschaft auf einem der fünf Wagen ihres Umzuges (KNZ, Nr. 40, 16.2.1888): »Im ersten war die Musik untergebracht, im zweiten betrieben Bauern und Schärmauser die Maulwuffsfängerei; auf dem 3. produzierten Seiltänzerinnen, Akrobaten, Clowns und ein Herkules; der nachfolgende Wagen enthielt Kasperletheather und eine »Morithat«; Schlußwagen stellte die Bereitung der Lockspeise für Schärmäuse dar. Die zahlreichen Köche warfen dabei Mehl unter das Publikum, was nicht allen Zuschauern angenehm gewesen sein soll.« Der Redakteur der »Konstanzer Zeittung« meinte dazu weiter: »Es scheint bei dieser neuen Narrengesellschaft viel guter Wille vorhanden zu sein; schade, daß sie ihrem Umzug nicht eine einheitliche Idee zu Grunde legte, sie hätte damit mehr Wirkung erzielt.« Bleibt noch für diejenigen Leser anzumerken, die den Sinn des Namens der neuen Narrengesellschaft noch nicht ganz verstanden haben, daß im alemannischen Dialekt »Schärmus« Maulwurf bedeutet und der »Schärmuser« ein Maulwurffänger ist. Sein Handwerkszeug bestand aus scherenähnlichen Fanggeräten.

Rückblick auf die gelungene Kameler-Fasnacht des Jahres 1888 (Kamelia-Jahresberichte von 1882-1892, Bericht 1888) In seinem Jahresabschlußbericht bedankte sich Schriftführer Stephan Einhart auch bei den Fuhrhaltern »(nämlich Herrn Senger und Ruppaner), welche ihre Fuhrwerke bereitwilligst zur Verfügung stellten, sowie den betreffenden zu Pferd, und sämtliche Mitwirkenden, welche Zeit, Arbeit und Finanzen nicht scheuten den Faschingszug zu einem imposanten zu veranstalten geholfen hatten, denn wir dürfen mit Stolz auf die 1888 Fasching zurückblicken, indem der unsrige den der Schermuser bei weitem übertroffen hatte, man hörte vom niedrigsten bis zum höchsten Stande nur Befriedigung aussprechen. Ein Inserat in der Konstanzer Zeitung verkündete Nah und Fern das Abhalten dieses Zuges, aus diesem Grunde es auch sehr viele Fremde hierher gelockt hatte, welche ebenfalls über ihr Erwarten, nur Befriedigung aussprechen konnten.« (Kamelia-Jahresberichte von 1882-1892, Bericht 1888) Die Mitgliederzahl der Kamelia Paradies ist in diesem Jahr von 98 auf 101 gestiegen. Sie brachten 248,47 Mark an Beiträgen und Spenden ein, damit erreichten die Kameler in diesem Jahr ihre bisher höchsten Einnahmen seit ihrer Gründung, nämlich 365,18 Mark. Allerdings sind auch die Kosten für den Umzug um 29 % gegenüber dem Vorjahr auf 269,22 Mark gestiegen. Trotzdem verblieb dem Kassier der beachtliche Überschuß von 95,96 Mark, »hiervon wurden fünfzig Mark bei der Sparkasse angelegt. Der Rest wurde dazu verwendet den Mitwirkenden einige Schoppen Freibier zu verabreichen, und zwar in den Wirthschaften Klump zum Wallgut und in der Restauration Schneble.«


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24.05.2003
Uli Topka
Konstanzer Fasnacht, Herbert Hofmann, 1985