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Geschichte der Konstanzer Fasnacht

Die Konstanzer Fasnacht 1889

(Kamelia-Jahresberichte von 1882-1892, Bericht 1889) Der sonst so fidele Narrenvater Richard Hörenberg zeigte in diesem Jahr recht wenig Lust auf die Fasnacht, obwohl ihn die Paradieser Bürger ständig drängten, eine Narrenversammlung einzuberufen, weil ihm anscheinend »zu Haus alles zu Dik und zu Lang war«. Narrenfreund Adolf Einhart ließ dem Narrenvater jedoch keine Ruhe, bis dieser wenigstens das alte Komitee zusammenrief, um ein Motto für den diesjährigen Umzug auszubrüten. Aber nach den Erfolgen in der Vergangenheit vermochten die vorgebrachten Ideen nicht so recht zu zünden. Nach längerem Hin und Her entschied man sich schließlich, das »Leben und Treiben im Schwarzwald« darzustellen. Ein weiter Gedankensprung vom heißen Kamerun in den kühlen Schwarzwald. Bei der nächsten Zusammenkunft wurden dann verschiedene bebilderte Bücher mitgebracht, aber es kam trotz der »Buchweisheiten« nicht viel dabei heraus, und so einigte man sich auf ein provisorisches Umzugsprogramm, das man der nächsten Mitgliederversammlung vorlegen wollte. Es sah folgendermaßen aus: 1. Wagen: Musik, 2. Wagen: zur Hohstube, 3. Wagen: die Brautwerbung, 4. Wagen: Hochzeit auf dem Schwarzwald, 5. Wagen: Photographieren der Hochzeitsleute, 6. Wagen: die Kindstaufe, 7. Wagen: Namenstag des Herrn Pfarrers und der 8. Wagen blieb vorläufig ohne Motto, wahrscheinlich gingen dem Vorbereitungskomitee vorzeitig die Ideen aus. Das Programm wurde bei den folgenden Versammlungen teilweise noch weiter ausgefeilt. In diesem Jahr einigte man sich mit der Paradieser Bürgermusik auf einen Vertrag für deren Teilnahme, der folgenden Wortlaut hatte: »Die Musik verpflichtet sich bei 3 Narrenabenden, beim Faschingszug von dessen Beginn bis Nachts zwölf Uhr zu spielen, wofür sich die Gesellschaft verpflichtet, der Musik ein Gehalt von Einhundertzehn Mark auszubezahlen sowie jeweils freier Trunk und Essen.« Die Paradieser Musiker durften also in diesem Jahr wieder mitmachen. »Vor Beginn jeder Narrenversammlung sammelte man sich mit Musik in einer bestimmten Wirthschaft, bei welcher sich jeweils viele Narrenfreunde mit närrischen Kennzeichen versehen einfanden, es wurde mit Musik durch die Hauptstraßen der Vorstadt Paradies marschiert, wobei jedesmal der Narrenvater; der sich unterdessen einen besseren Humor verschaffte, abgeholt wurde. Im betreffenden Lokal angelangt wurde die Narrenversammlung mit einem kräftigen Narro Narro sibesi eröffnet. « In der ersten dieser Narrenversammlungen wurde das geplante Programm vorgelesen und ausgiebig besprochen, »wobei man sich einigte, den Zug in diesen Gruppeneintheilungen auszuführen mit Änderung des 7. Wagens, um ja in keiner Weise Anstoß zu erregen«. Der »Namenstag des Herrn Pfarrers« wurde aus dem Programm gestrichen und umbesetzt. »Kamelwitze wurden ebenfalls wieder losgelassen, allein ohne die Mitglieder in finanzieller Hinsicht zu belästigen. (...) Bei der Versammlung in der Schweizergrenze fanden sich einige Herren aus der Stadt ein, welche sich sehr gut amüsierten, überhaupt als der Witz, welcher Adolf Einhart erdachte, es werde, nachdem ein kleines Benefis oder Trinkgeld einkassiert, für welche der Kasse 12 Mark 50 Pfennig eintrug, ein Mann am Seil heruntergelassen, was die anwesenden mit größter Spannung auch zu sehen bekamen«.

Mit diesem »Kamelwitz« verlassen wir die Paradieser Narrenversammlungen und stürzen uns in das bunte Treiben der in den ersten Märztagen gelegenen Fasnachtstage des Jahres 1889. Der »Schmutzige Donnerstag« ähnelte denen in früheren Jahren. Er wurde lediglich am Nachmittag durch einen Umzug der im vorangegangenen Jahr erwähnten Jagdgesellschaft belebt. Am Sonntag unterhielten die ELEFANTEN das närrische Konstanzer Publikum mit einem »Riesen-Panoptikum«. (KNZ, Nr. 56, 6.3.1889) Am Fasnachtsmontag strömte wieder viel Volk auf der Marktstätte zusammen, denn es waren immerhin drei Umzüge angesagt. »Schon gegen 2 Uhr langte ein stattlicher, von der Narrengesellschaft Emmishofen veranstalteter großer Faschingsumzug hier an, der mit seinen malerischen Trachten einen ganz imposanten Eindruck machte. Auch die Idee, die dem Ganzen zugrunde lag, war eine gute. Jede Gruppe hatte sich angestrengt, etwas gediegenes zu bieten und ganz besonders viel Spaß machte allgemein der Haarschneide-Salon, in welchem die Verschönerung mittels Elektrizität vorgenommen wurde. Großes Entzücken rief eine Kanone hervor, die - weit entfernt tötliche Absichten zu haben - im Gegenteil auf Erhaltung des Lebens ausging, indem sie Lebensmittel unter die Menschen schoß. Schade daß der Zug so rasch die Stadt wieder verlassen hat. - Gleich nach 2 Uhr kam vom Paradies herein der Zug der KAMELIA, der eine Reihe sehr hübscher Bilder aus dem bäuerlichen Familienleben darbot: Liebelei, Hochzeit, photographische Aufnahme des jungen Paares, Kindstaufe, Großvaters Geburtstag u.s.w. Die einzelnen Gruppen waren recht geschickt zusammengestellt und die Paradieser zeigten auch diesmal wieder viel Talent, ihre Rollen lebhaft und natürlich zu spielen, sodaß der Zug den zahllosen Zuschauern viel Freude und Spaß machte.« Der dritte Umzug wurde von einer ebenfalls neu ins Leben gerufenen Narrengesellschaft, die sich den Namen KOMET gegeben hat, ausgeführt. Dieser Zug zeigte den Zuschauern »die Frauenemanzipation von Krähwinkel«, »wo Frauen Soldatendienste thun, die Feuerwehr bilden, ein Schwiegermutterquartett gründen ec. während die Männer die Wäsche besorgen, die Kinder schwaigen, kochen und putzen u.s.w. Auch dieser Zug zeigte Geschick und Humor. Er endigte beim Schweizerhaus in dessen Wirtschaftsräume die Feuerwehrmänninnen auf ihren Leitern durchs Fenster eintraten.« Der Umzug der Paradieser, der von den Zuschauern freudig begrüßt wurde, indem sie den einzelnen Umzugsgruppen Sträuße zuwarfen, »ein gutes Zeichen, wie sehr die Ausführung dieses Zuges den Bewohnern der Stadt gefiel«, war inzwischen in der Oberen Laube hinter der »Sonne« angekommen, von wo aus sich die Kameler-Narren in die Säle der Bierbrauerei »Zur Sonne« begaben. Hier hörte man ebenfalls »nur Bravos«. »Frau Ruppaner bewirthete darauf das weibliche Geschlecht mit Kaffee Desseur.«


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24.05.2003
Uli Topka
Konstanzer Fasnacht, Herbert Hofmann, 1985