zurück zur Hauptübersicht
zurück

Besonderheiten der
Konstanzer Blätzlebuebe-Zunft e.V.

Narrenbrunnen


Der "Blätzlebrunnen" auf dem "Blätzleplatz"

Die Offenburger gaben die Initialzündung mit ihrer Brunnen-Synthese. Sie verwendeten das Becken des alten "Lindenbrunnen" und ein moderner Künstler besetzte es mit Hexen und Spättlenarren. Die Stadt hatte ihren Narrenbrunnen. Das war 1962. Längst hatten die Überlinger, Donaueschinger und andere mehr ihren fasnachtlichen Traditionsgestalten Denkmäler gesetzt. Die Zeit war reif für einen "Blätzlebrunnen" in Konstanz, wie in sich der hochbetagte Blätzlevatter Ludwig Müller, sehnlich wünschte.


Als damaliger Betriebsleiter der Zunft nahm sich Heinz Hug der Idee an. Nach dem stimmungsvollen Wurstschnappen für den Narrennachwuchs "aus dem Kaiserbrunnen", flüsterte er das Projekt, aus dem im Krieg der bronzenen Kaiserstandbilder beraubten Brunnen, einen "Blätzlebrunnen" zu machen, dem Berichterstatter der Lokalzeitung zu. Der der Fasnacht und der Zunft sehr gewogene Lokalredakteur des SÜDKURIER, Hans Schumacher, nahm die Anregung in seinen Artikel auf und berichtete über den Rosenmontag 1964 unter der Überschrift: "Blätzlezunft lehrte Narrensprüche beim Wurstschnappen". Dabei ließ er folgende Zeile einfließen: "Am sogenannten Kaiserbrunnen (den immer noch die unschöne leere Steinpyramide ziert, statt des Standbilds eines Konstanzer Blätz, was hiermit ernsthaft vorgeschlagen sei) gab es denn ein großes Wurst- und Brezeleschnappen für die Kinder, gerade wie in alten Zeiten..." .
Mit Datum vom 13.2.1964 hakte Heinz Hug mit einem "Leserbrief" an die Zeitung nach, dem noch Zuschriften anderer folgten. Um die Idee am Leben zu halten, standen die Schmutzigen Donnerstage 1965, 66 und 67 unter dem Zeichen eines Blätzlebrunnens. Schumacher verkündete am Mittwoch, den 24.2.1965 unter der Überschrift: "Nun kommt der Blätzebrunnen doch - am Schmotzige Dunschdig" und fuhr im Text fort: "Etwas Besonderes hat dabei die Blätzlezunft vor: sie will den bereits vor einem Jahr ins Gespräch gekommene Blätzlebrunnen endlich aufstellen und enthüllen, nur steht der Platz noch nicht fest...".

Inzwischen hatten sich im Gemeinderat Stimmen geregt, die einen "so wichtigen Platz wie die Marktstätte" nicht mit einem Narrenbrunnen ausgestattet sehen wollten. Die Zunft reagierte mit einem beweglichen Brunnen, den man nach Belieben auf jedem Platz aufstellen könne. Rat Peter Müller hatte das eindimensional, aus Platten gebaute und auf einen Karren gestellte Modell bemalt. Mittels einer historischen "Luftschutzspritze" konnte Wasser durch die Narrenpritsche gepumpt werden.

Der SÜDKURIER blieb dran und berichtete weiter über den Brunnen, und die Zunft sammelte Spenden. Im folgenden Jahr, 1966, kam der Durchbruch. Redaktuer Hans Schumacher konnte berichten: "Ho Narro - der Blätzlebrunnen kommt! - Überraschung des Tages: Sparkasse stiftet 10.000 Mark." Am Nachmittag des Schmutzigen Donnerstag verwandelte sich der Obermarkt in eine einzige Baustelle. Wir waren im Element! "Einen ganzen Wagen Baugeschirr (nebst Bau-WC) und viele Gastarbeiter hatten sie mitgebracht und als dann ein richtiger Blätzle von Betriebsleiter Hug in die rechte Stellung gebracht worden war, spielte der Fanfarenzug und das närrische Volk jubelte. Es ist erreicht! Es war eine herrliche Gaudi, eine echte Konstanzer Fasnachtszene und Blätzlevatter Ludwig Müller schmunzelte glücklich", schrieb Hans Schumacher. (Leider sollte der Blätzlevatter die Realisierung des Brunnens nicht mehr erleben, denn er verstarb noch im selben Jahr.)

Die Spende der Sparkasse beflügelte die Spendenaktion. Auf dem legendären Konto 1111 sammelten sich größere und kleinere Spenden aus der Bürgerschaft an. Im Jahr darauf, 1967, entschied eine Kommission über den Sieger des Wettbewerbs. Vier Modelle standen zu Auswahl. Eines stammte vom Bildhauer und Zunftrat Franz Kuster. Den Zuschlag erhielt Ernst Thomann aus Emmendingen mit seinem Entwurf aus Metall in Schweißtechnik, das heute die Ratstube im Schnetztor ziert. Nicht weniger als 6800 Blätzle aus Kupferblech schnitt der Künstler mittels einer Blechschere von Hand(!) für die beiden Blätzlebuebe aus, die er mit einem Schweißbrenner Stück für Stück auf ein Untergestell aus Eisenstangen, ähnlich dem einer Schneiderpuppe, auflötete. Der hockende Hemdglonker, der die Gruppe vervollständigt, wurde aus Platten des selben Materials geformt.

Inzwischen hatte der Gemeinderat auch die Standortfrage gelöst. Da auch der Obermarkt als "zu geschichtsträchtig" für einen Narrenbrunnen betrachtet worden war, wurde dem Blätzlebrunnen der bis dahin namenlose Platz zwischen dem Kaufhaus "Hertie" und dem Rathausareal zugewiesen. Auf einem im Volksmund als "Hertieplatz" bezeichneten Ort sollte aber der mühsam erbettelte Brunnen nicht stehen. So inszenierten wir am 11.11.1967 eine Aktion "Blätzleplatz". altes Blätzleplatz-SchildAn markanten Stellen in der Stadt brachten wir Hinweisschilder mit dem Aufdruck "Blätzleplatz" an und auch die Stelle auf dem Platz, wo am nächsten Schmutzigen Donnerstag der Brunnen enthüllt werden sollte, wurde so markiert. Der SÜDKURIER griff unseren Vorschlag auf und kommentierte: "... Ein sinniger, aber erwas zungenbrecherischer Name... Nichtsdestoweniger ein hübscher, ein beziehungsreicher, ein durchdachter Name. Eine Bereicherung für Konstanz...". Um Tatsachen zu schaffen griffen wir vor und brachten rechtzeitig noch eine Tafel aus Emaille an, die den Platz als "Blätzleplatz" auswies, bevor noch der Brunnen eingeweiht werden sollte (die Tafel liegt heute im Schnetztor). Der Name setzte sich durch und wurde zuletzt auch städtischerseits auf den Hinweistafeln für den Parkplatz verwendet. Offiziell war der Name aber nicht abgesegnet.

Der Schmutzige Donnerstag 1968 war ein Meilenstein in der Zunftgeschichte. Nach vier Jahren Vorarbeit konnte der Blätzlebrunnen enthüllt werden. Der Freudentag war entsprechend vorbereitet worden und es geriet durch die geplanten und spontanen Programmpunkte zu einem wahren Volksfest, wie der SÜDKURIER befand. Zum Auftakt spielte die Regimentsmusik des französichen 129. Motorisierten Infantrieregiments mit flotten Märschen auf. Die Ansage und Regie der einzelnen Programmpunkte besorgte Heinz Hug. Zunftmeister Hermann Adelmann begrüßte und übergab den Brunnen der Stadt. Dann wurde der golden leuchtende Brunnen unter kräftigen Ho-Narro-Rufen seiner Hülle entledigt. Sogleich traten die sehr originell als Putzfrauen verkleideten Frauen der Narrenräte und die Blätzlemutter in Aktion, um den Brunnen gründlichst zu reinigen. Staffelläufer mit Milchkannen voll (eingefärbtem) "Kaltbrunner Quellwasser" füllten das Becken auf, in das die Allensbacher Hansele ihr lebendiges Wappentier, den Alet, gleiten ließen. Nach einem Böllerschuss stiegen Luftballons mit anhängendem Absender auf. (Leider verhinderten tierschützerische Bedenken den Aufstieg von Tauben oder wenigstens Spatzen, wie es der Betriebsleiter gewünscht hatte.) Oberbürgermeister Bruno Helmle hielt eine Dankes- und Lobrede und übernahm den Brunnen für die Stadt . Mit einem Knopfdruck setzte er das Wasserspiel in Betrieb. Die "Elefanten AG" war als Hippies, damals Gammler genannt, gekommen und veranstalte ein "Sit in" à la Woodstock. Unser Fanfarenzug spielte und alle waren begeistert. Die alte Fasnachtshochburg hatte ihren ersten Narrenbrunnen.

Dann folgte die unendliche Geschichte der modernen Versenkungstechnik des Betontopfs. Der Platz wurde zur ewigen Baustelle und der schöne Blätzlebrunnen fristete jahrelang ein elendes und gefährdetes Dasein in einem Bretterverschlag an der hinteren Rathausmauer. Als der Topf endlich in der geplanten Tiefe angekommen war, strebten die Verantwortlichen für die Stadt nach Höherem. Man befand einen "Blätzleplatz" als der architektonischen Höchstleistung als nicht würdig genug und besann sich der einstigen Augustinermönche, nach denen das Glanzstück "Augustinerplatz" getauft werden sollte. Sogleich stellte der inzwischen zum Zunftmeister avancierte Betriebsleiter Heinz Hug den schriftlichen Antrag, den Teil des Platzes, auf dem der Blätzlebrunnen nach beendigter Gestaltung der Gesamtanlage wieder aufgestellt werden sollte, offiziell "Blätzleplatz" heißen und entsprechend beschildert werden solle. Es folgten noch einige mündliche Erinnerungen an die Adresse von Oberbürgermeister Horst Eickmeyer. Dieser hielt seine gegebene Zusicherung ein, so dass im Jahre 1995, als der Brunnen endlich wieder - wenn auch nicht so schön wie zuvor - in einem neuen Becken aufgestellt worden ist, der ansprechendere Platzteil westlich des "Augustinerplatz" tatsachlich von Amts wegen den Namen "Blätzleplatz" erhielt.


Letzte Überarbeitung der Seite
Bearbeiter
Quellen
:
:
:
12.08.2002
Uli Topka
Text: Heinz Hug, Fotos: Uli Topka