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Der Polizeiblätz der "Konstanzer Blätzlebuebe-Zunft "e.V.

Vielen Zünften und Vereinen schreitet gravitätisch und heftig schellen "ein Polizei" voraus, gestiefelt, in Uniform, den Säbel umgeschnallt und auf dem Haupt eine überdimensionale Schirmmütze oder eine Pickelhaube. Sein wichtigstes Requistit ist die Schelle. "Der Polizei" kündigt an, ordnet den Zug, schafft Platz und achtet im übrigen darauf, daß alles seine Richtigkeit hat.

 Bei den Blätzlebuebe trägt er ein Blätzlehäs und "reitet" ein Fasnetrößle, einen Apfelschimmel. Er zählt somit zum Typus der Scheinreiter. Als einzige Figur der Zunft trägt er eine Holzlarve, auf der ein schwarzer Dreispitz sitzt. Die geschnitzte Larve kann mit seinem Träger wechseln. Die heutige Larve mit martialischem Schnurrbart stammt aus der meisterlichen Hand des Konstanzer Multitalents Gerhard Breinlinger (er verkörpert die Konstanzer Einmannzunft "Wendelgard"). Seit der Neugestaltung des Laternentanzes in den Jahren 1967/1968 hat der Polizeiblätz eine Funktion im Ablauf des Tanzes.

Zur geschichte des Polizeiblätz. Geplant war der Polizeiblätz gleichzeitig mit der Entstehung des Laternentanzes im Jahre 1938, wurde aber erst 14 Jahre später in die Tat umgesetzt.1952 ernannte Blätzlevatter Ludwig Müller den ersten Polizeiblätz, welcher sogar als Beirat im Zunftrat eingesetzt wurde. Dieser erste Alte Maske des PolizeiblätzPolizeiblätz war Josef (Beppi) Kretz. Kaum ernannt, ging er sogleich daran der Figur ihre zugedachten Symbole anzueignen. Er fertigte sich selbst ein hölzernes Roß, das jedoch, von seiner braunen Farbe mal abgesehen, eher einem altertümlichen Luftschiff denn einem Pferd glich. Die Holzlarve wurde 1956 von dem Konstanzer Bildhauer Stingel geschnitzt. Mit diesen Utensilien ausgerüstet bot der Polizeiblätz dem Betrachter einen merkwürdigen Anblick: Die recht eigenartigen Gesichtszüge der Larve, dazu eine Perücke aus Werg, die von einem Schiffchen geziert wurde und nicht zuletzt das unförmige Roß. Nichtsdestotrotz füllte Josef Kretz dergestalt sein Amt 12 Jahre lang als Pionier des Polizeiblätz aus. Die Larve hängt heute in der Zunftstube im Schnetztor.

 Am 11.11.1964 dann übergab er das Amt an seinen Nachfolger Albrecht Kuttruff, welcher als "Ratsbüttel" in den Rat aufgenommen wurde. Kuttruff fertigte sich eine eigene Larve, die allerdings nicht so recht zur Geltung kam, da er seine Ratskappe als Kopfbedeckung benutzte. Aufgrund des Alters und der seltsamen Gestalt des Polizeirosses verzichtete er gänzlich auf das selbige. 1971 erklärte Kuttruff mit zwei weiteren Räten seinen Austritt aus der Zunft.

Otto Hempel, der neu gefundene Polizeiblätz, schaffte es zusammen mit Anneliese "Mirle" Hug, den zerütteten Laternentanz innerhalb kürzester Zeit neu zu organisieren und ihn zu dem zu machen, was er heute ist. Man kann wohl ohne Übertreibung behaupten, daß Otto Hempel der Vorreiter des noch heute in dieser Form existierenden Polizeiblätz war. Die Gestalt des Polizeiblätz änderte sich jedoch dahin, daß Otto Hempel statt einer Holzlarve sein angeborenes Gesicht trug, da Kuttruff die seinerzeits von ihm gefertigte Holzlarve bei seinem Austritt mitgenommen hatte, auch paßte die erste Holzmaske von Josef Kretz nicht auf Hempels Kopf.

Aufgrund der fehlenden Gesichtsbedeckung des Polizeiblätz ließ die Zunft 1981 eine neue Holzlarve Gerhard Breinlinger anfertigen. Maske des PolizeiblätzDiese neue Holzlarve war nicht nur wunderschön, sondern strahlte auch die nötige Würde aus, welche die alte Larve vermissen ließ. Der Dreispitz auf dem Kopf symbolisierte in Verbindung mit der großen Büttelsschelle die nötige Amtsgewalt. 1982 wurde diese Holzlarve erstmals eingesetzt und ist noch immer die offizielle Gesichtsbedeckung des Polizeiblätz.

Aus gesundheitlichen und familiären Gründen mußte Otto Hempel jedoch sein Amt 1987 abgeben. Neuer Polizeiblätz wurde Roland Sauter. In seine Zeit fällt die Anschaffung eines neuen Polizeirössels. Durch die Berufung in den Narrenrat mußte Sauter das Roß, welches er über die Jahre liebgewonnen hatte, 1993 schweren Herzens abgeben. Ein Nachfolger fand sich in Otto Hempels Sohn Max, der, wie sollte es auch anders sein, durch seinen Vater bedingt im Laternentanz quasi aufgewachsen war. Bedauerlicherweise gab Max Hempel das Amt schon bald wieder ab.  Der Laternentanz hat nun in Michael Noll einen würdigen Nachfolger gefunden. Er ist schon seit 1989 aktiver Laternentänzer. Die Figur des Polizeiblätz hat er somit kennen und schätzen gelernt. Für die Fasnacht 1999 hat das aus Glasfaser bestehende Pferd, ein Schimmel, eine Renovierung erhalten. Roß und Reiter sind somit für viele "fünfte Jahreszeiten" bestens gerüstet.

Der Polizeiblätz ist die Schlüsselfigur des Laternentanzes, denn ohne Polizeiblätz keine Obrigkeit und ohne Obrigkeit kein Laternentanz. Der Polizeiblätz, als Verkörperung der Obrigkeit, hat die Aufgabe, dem Volk, dargestellt durch die 12 bzw. 16 Laternentänzer, den folgenden Erlaß des Stadtrates von 1388 bekanntzumachen:

Anno 1388 feria IV. post Petri et Pauli
Do hiess der gross rat den nachgschriben ruf tun
in der statt zu Constentz, dass nieman fürbass nach
stubi an der gassen noch an der strass gan sol,
er trag denne ein licht offenlich und unverborgen.
Wer es darübertut, der sol 5 schil. pf. ze buss geben,
jeclichsmale, als dick ers tut. Und wer die buss nit
ze geben hat, den sond die Wächter in den turm legen.
Es sol och nieman nach stubi an der gassen noch an
der strass pfifen, gygen, quertennen, singen noch
benennen, noch kain horn blasen, nutz das taghorn
geblasen wird.


Seine weitere Aufgabe besteht nun darin, zu versuchen, die ihn umtanzenden und verhöhnenden Blätzlebuebe durch lautes Schellen mit seiner Büttelschelle zur Ordnung aufzurufen. Gegen Ende des Tanzes gibt dann der entmachtete Polizeiblätz frustriert auf und schließt sich den Tänzern an.


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Quellen
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01.01.2002
Uli Topka
Texte von Peter Längle und Heinz Hug