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Besonderheiten der
Konstanzer Blätzlebuebe-Zunft e.V.

Stube


Das Schnetztor

Die Heimat der Konstanzer Blätzlebuebe-Zunft

Das Schnetztor in Konstanz - seine Geschichte und Bedeutung

von Berthold Schwan, Stadtbaudirektor i.R.

Schnetztor

Die aus einem befestigten römischen Lager am Ausfluß des Rheins aus dem Bodensee seit dem vierten Jahrhundert sich entwickelnde Ansiedlung erhielt von den Verteidigern des Limes den Namen ihres Kaisers CONSTANTIUS CHLORUS, also CONSTANTIA.

 

Im Lauf ihrer langen und wechselvollen Geschichte wurde diese Stadt während des von 1414 bis 1418 währenden Konstanzer Konzils zur geistigen und politischen Metropole des Abendlandes.

Die Tatsache, daß die Durchführung dieses Konzils auf Drängen des Schutzherrn der Kirche, des Kaisers Sigismund, dem schon mehr als ein halbes Jahrtausend bestehenden Bistum und der Stadt Konstanz anvertraut wurde, beweist die seinerzeitige überregionale Bedeutung dieser Stadt: war sie doch des Reiches südlichster Vorposten. Wer von den Alpen nach Norden in die vom Bodensee bis nach Basel reichende Ebene des Oberrheins kam, mußte diesen Fluß als natürliche Trennungslinie überwinden, und zu ihrem Schutz als südliche Reichsgrenze waren die Mauern mit ihren Türmen und Wehrsystemen errichtet worden.

Als Freie Reichsstadt oblag nicht dem Bischof, sondern dem Rat der Stadt die Verpflichtung, die den jeweiligen Erkenntnissen der Verteidigungstechnik entsprechenden Bauten zu erstellen und für ihren dauernden Unterhalt zu sorgen, eine Last, welche oft die Hälfte ihrer gesamten Finanzkraft band. So viel ließ sich das Mittelalter den Schutz seiner Bürger und der außerhalb der Mauern wohnenden Bevölkerung damals kosten.

Die Ausdehnung der Stadt war mit dem Beginn des 14. Jahrhunderts im wesentlichen beendet. Diese Zeit und die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts bedeuten für das aus einem dem Bischof botmäßigen Marktflecken zur freien reichsunmittelbar gewordenen Stadt Konstanz den Höhepunkt ihrer politischen und wirtschaftlichen Macht. Konstanz war die Stadt der "Tela di Constanca", sein Linnen war in Italien, Frankreich und Spanien gesuchte Qualitätsware.

Der Bau einer neuen mächtigen, die ganze Stadt nach einheitlichem Plan umfassenden Befestigung war das letzte große Bauwerk der Freien Reichsstadt. Der Durchführung dieses gewaltigen Planes kam die Abhaltung des Konzils sehr zustatten, denn ohne die besonderen Steuern, Abgaben und Schenkungen, die anläßlich dieses internationalen geistlichen und politischen Kongresses in den Stadtsäckel flossen, wäre die kostspielige Befestigungsanlage nicht durchzuführen gewesen, zumal sich die wirtschaftliche Lage schon während des Baues zusehends verschlechterte.

Die Ummauerung war etwa 3000 m lang, sie war durch etwa 30 Tore oder Wehrtürme gesichert, dabei waren die über 1,30 m dicken Mauern ohne die krönenden Zinnen etwa 12 m hoch. Davor lag ein etwa 18 m breiter Wassergraben, der vom See, vom Rhein und einem südlich von der Schweiz her kommenden Bach gespeist wurde: ein auch für heute noch gigantisches Werk.

Neue Alpenpässe und Verkehrswege wurden erschlossen, und damit verlosch im 16. Jahrhundert die wirtschaftliche Ausstrahlung der Stadt. Ihre Einwohnerzahl sank bis zum Beginn des neunzehnten Jahrhunderts bis auf die Hälfte der mittelalterlichen Bevölkerung, die etwa 7000 Menschen zählte. Die durch neue Kriegstechniken unnötigen Mauern und Türme kosteten trotz ihrer Nutzlosigkeit viel Geld zur Unterhaltung, und so ist es nur zu begreiflich, daß die arm gewordene Bürgerschaft die Befestigungsanlagen, die zudem noch die Stadt von ihrem Umland abriegelten, vernachlässigten und ein Mauerstück nach dem andern, ein Wehrturm und ein Tor nach dem andern schleiften. In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts waren von der einstigen Pracht und der das Gesicht der Seefestung Konstanz bildenden Ummauerung nur noch kümmerliche Reste der Mauer und von 30 Türmen und Toren der Umwallung nurmehr drei übriggeblieben: ein Wehrturm am Rhein, der stattliche Rheintorturm, ehemals der einzige Zugang vom Norden in die Stadt und Zeuge heroischer Kämpfe der Stadtbevölkerung gegen die Schweden zur Zeit des Dreißigjähigen Krieges, und sein Gegenstück im Süden der Stadt: der Schnetztorturm.

Im Rahmen des Befestigungswerkes kam dem Schnetztor neben dem Rheintorturm eine besondere Bedeutung zu: er war gewissermaßen der Eckpfeiler der Stadt, in der Südwestecke gelegen. Seine exponierte Lage veranlaßte den Rat, dem um 1380 fertiggestellten Torwehrturm ein Vortor nach Süden anzugliedern, wodurch zwischen Turm und Vortor ein verteidigungsfähiges mauerumwehrtes Gelände geschaffen wurde, das einem Zwinger ähnlich war. Dies geschah um die Mitte des 15. Jahrhunderts, was beweist, daß zu diesem recht späten Zeitpunkt dem Gesamtfestungswerk in Gestalt der Mauern und Türme noch große Bedeutung zugemessen wurde. Auch wurde der Turm mit einem ständigen Turmwächter besetzt, der im obersten Geschoß wohnte und von dem 1437 berichtet wird, daß er neben freier Kost im Spital jährlich 11 Pfund Heller für seinen Dienst bezog und zusätzlich 1 Pfund für das Richten der Turmuhr.

Wieso dieser wichtige Torturm den Namen "Schnetztor" erhielt, ist nicht auszumachen: vermutlich stammt das Wort Schnetz aus dem Oberdeutschen und bedeutet "junger Hecht". Da der Fischfang für Konstanz von nicht zu unterschätzender Bedeutung war, ist es verständlich, wenn die Bürger ihren stolzen Turm mit dem Namen eines hochgeschätzten Fisches auszeichneten.

In der Mitte des 15. Jahrhunderts erhielt der Turmholm einen Dachreiter, in dem zwei Glocken aufgehängt wurden, die eine als Stundenglocke, die andere sollte den Verurteilten zum letzten Gang läuten, wie es wohl dem auf dem Konzil als Ketzer verurteilten Johannes Hus erging, der trotz des ihm zugesagten freien Geleites zum Tod verurteilt und wenig entfernt vom Schnetztor den Flammen übergeben wurde. 1452 wurde ein Mann lebenslang im Schnetztor eingemauert, weil er seine Frau erstochen hatte. Der Gefangene erhielt täglich für 2 Pfennig Brot und dazu einen Krug Wasser. Auch für ihn mag der Wärter bei der Einlieferung die Armsünder- oder Lumpenglocke geläutet haben.

Die besondere Bedeutung des Schnetztores ist auch darin begründet, daß das mittelalterliche Konstanz auf der linken Rheinseite lag, also mehr auf eidgenössischem Territorium als auf dem des Reiches. Alle Straßen aus der Eidgenossenschaft, mit der die Stadt und der Kaiser oft genug in blutigem Streit lagen, mündeten letzten Endes am Schnetztor in die Stadt ein. Und hier zogen die Kaiser in die Stadt, wenn sie aus dem Süden kamen. Kaiser Barbarossa war mindestens fünfmal in der Stadt. Im Jahre 1183 schloß er hier den Frieden mit den lombardischen Städten. Von nationaler Bedeutung auch war es, daß die Stadt Konstanz dem Enkel Barbarossas und der mächtigsten Herrschergestalt der Staufer, Friedrich II., die Tore der Stadt öffnete, die sie dem Gegenkönig Otto IV. verschloß. Damit war des großen Staufers Kaisermacht gesichert.

Immer bei den Auseinandersetzungen mit dem südlichen Nachbarn, den wehrtüchtigen Schweizern, spielte das Schnetztor als Hauptwerk der Befestigungsanlage eine wichtige, oft für Sieg oder Niederlage entscheidende Rolle. 1460 eroberten die Eidgenossen den Thurgau, den bis an die Mauern der Stadt angrenzenden südlichen Nachbarn. 1499 wurde im sogenannten Schwabenkrieg, den Kaiser Maximilian mit dem Schwäbischen Bund unter Beteiligung der Stadt gegen die Eidgenossen führte, eine große Heerschau abgehalten, wobei der Bannerträger des Reiches, der Ritter Götz von Berlichingen, vor dem Kaiser durch das Schnetztor ritt.

Konstanz um 1633

Von dem berühmten Basler Kupferstecher Mathäus Merian wurde das Konterfei der Stadt 1633 während der vier Wochen dauernden schwedischen Belagerung, die allerdings ergebnislos abgebrochen wurde, in Kupfer gestochen. Dieser Stich zeigt am klarsten die Gesamtanlage der Befestigungswerke mit den Mauerzügen des frühen und späten Mittelalters, und auch hier steht der Schnetztorturm an der Südwestecke der Stadt an hervorragender Stelle. Im Dreißigjährigen Krieg beschossen die Schweden von Kreuzlingen her das Schnetztor und die Stadt, konnten aber zuletzt durch die wehrhafte Ummauerung von einer Besetzung der Stadt abgehalten werden.

Das neunzehnte Jahrhundert war, wie schon kurz erwähnt, nicht willens und nicht fähig, die kostspielige Unterhaltung ihrer Befestigungswerke weiter zu tragen, und so verschwand mit dem Abbruch der Mauern und Türme das charakteristische Bild einer mittelalterlichen Seefestung, die bei Erhalt dieser einzigartigen Bauwerke heute ein Anziehungspunkt allerersten Ranges wäre; Konstanz hätte aufgrund seiner landschaftlich hervorragenden Lage und einer unzerstörten städtebaulichen Einheit im Geist des Mittelalters Rothenburg oder gar Carcasonne übertroffen.

Ein trauriger Abgesang war auch dem Schnetztor damit beschieden, als 1849 die letzten Truppen des deutschen republikanischen Heeres nach ihrer Niederlage gegen die preußischen Truppen sich durch seine nutzlos gewordenen Mauern in die Schweiz retteten, wie es ihnen auch die Soldaten der Konstanzer Garnison im April 1945 gleichtaten. Beim Schnetztor fielen dabei die einzigen Schüsse des 2. Weltkrieges, als ein deutscher Kradfahrer von einem französischen Panzer aus beschossen wurde.

So hat das Schnetztor seit über sechshundert Jahren am Leben der Stadt teilgenommen. Junge, idealgesinnte und dem Heimatgedanken verbundene Menschen gingen daran, dieses großartige, jahrhundertlang verwahrloste Bauwerk der Nachwelt zu erhalten. Eine seit dem Mittelalter in Konstanz bestehende Narrenzunft, die Konstanzer Blätzlebuebe, schenkte unter sachkundiger Leitung und unter Beachtung einer lebendigen Denkmalspflege diesem geschichtsträchtigen Bauwerk das Kleid und die kraftvolle Gestalt wieder, deren es wahrhaft würdig ist.

Die vorstehenden Ausführungen zur Geschichte des Schnetztors und seiner Bedeutung von Stadtbaudirektor a. D. Berthold Schwan dürften mit dazu beigetragen haben, daß das Kultusministerium des Landes Baden-Württemberg dem Schnetztor in seiner Gesamtanlage im Januar 1978 den Rang eines Baudenkmals von nationaler Bedeutung zuerkannt hat.


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Quellen
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06.10.2002
Uli Topka
Broschüre: Das Schnetztor zu Konstanz und die Blätzlebuebe
Fotos Uli Topka