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Chronik der Konstanzer Blätzlebuebe-Zunft e.V.
1961 -1970: Die Zunft trauert um ihren Gründer und Blätzlevatter
Der Blätzlebrunnen entsteht

1961

Nach dem Wecken am Schmutzige Dunschdig und dem anschließenden Morgenkaffee bei der Blätzlemutter begaben sich die Narrenräte, die Fanfarenzügler und die Laternentänzer zum Empfang beim Blätzlevatter in sein Häusle am Rheinsteig. Nicht weniger als 55 Flaschen Bier, 2 Flaschen Schnaps, 55 Würste (Serbele) und 3 Laibe Brot wurden innerhalb einer Stunde bei diesem sogenannten "Morgeschrei" verdrückt. Bravo !

1962

Der Blätzlevatter wurde beim Blätzleball durch eine Abordnung des Grobgünstigen Narrengerichts Stockach zum Laufnarren geschlagen, wofür er sich mit einem geistreich-närrischen Gedicht bedankte. Am Fasnachtsmontag haben wir nach dem Zunftumzug den Konstanzer Narresome erstmals mit einem Wurstschnappen am Kaiserbrunnen überrascht. Dieses Wurstschnappen war ein großer Erfolg und wird seither jedes Jahr durchgeführt. Es ist längst ein fester Bestandteil des närrischen Brauchtums in Konstanz geworden.

1963

Zunftmeister Hugo Stuhler, der die Zunft neben dem Blätzlevatter seit 1950 hervorragend geleitet hatte, trat aus gesundheitlichen Gründen zurück und wurde zum Ehrenzunftmeister ernannt. Zum neuen Zunftmeister wurde einstimmig Hermann Adelmann gewählt.

1964

Die Zunft fuhr mit 120 Blätz in einem Sonderzug nach Offenburg, wo die Hexenzunft das Große Narrentreffen durchführte. Alle Teilnehmer waren von der ausgezeichneten Gestaltung des Festes begeistert. Während und nach der Fasnacht 1964 tauchte zum ersten Mal die Idee auf, einen Blätzlebrunnen auf der Marktstätte oder auf dem Obermarkt zu errichten. Im Sommer und Herbst 1964 wurde im SÜDKURIER eine größere Anzahl von Leserbriefen veröffentlicht, in denen der Vorschlag gemacht wurde, den Kaiserbrunnen auf der Marktstätte in einen Blätzlebrunnen umzugestalten. Die Blätzlebuebezunft griff diese Idee natürlich sofort auf, setzte sich jedoch für den Obermarkt als Standort ein. Der Blätzlevatter fertigte aus Pappe ein Modell vom Obermarkt mit einem Entwurf des Blätzlebrunnens in der Mitte des Platzes und überreichte das Modell Herrn Oberbaurat Kölsch im Rathaus. Stadtverwaltung und Kulturausschuß verhielten sich anfänglich dem Projekt gegenüber eher ablehnend. Wir ließen aber nicht locker und leisteten hartnäckige Überzeugungsarbeit, besonders Betriebsleiter Heinz Hug, bis schließlich fast alle Parteien im Stadtrat unser Vorhaben unterstützten. Im Herbst des Jahres 1964 wurde die Zunft von einem harten Schlag getroffen. Am 21.10.1964 verstarb nach längerem schweren Leiden unser Ehrenzunftmeister Hugo Stuhler, der an der Seite des Blätzlevatters die Zunft von 1950 bis 1963 als Zunftmeister vorbildlich geleitet hatte. Am 11.11.1964 wurde Peter Müller in den Narrenrat gewählt.

1965

Die Zunft nahm in diesem Jahr am Narrentreffen der Rölli-Butzen in Siebnen (Schweiz) und am Narrentreffen der Altfischerzunft in Laufenburg mit jeweils großer Abordnung teil. In Siebnen wurden erstmals unsere neuen Zunftfahnen mitgeführt.

Am Nachmittag des Schmutzigen Dunschtigs zogen wir auf einem Wagen eine riesige Blätzlefigur durch die Stadt. Sie war auf einem Sockel montiert und stellte einen fahrbaren Blätzlebrunnen dar. Der Wasserstrahl des Brunnens wurde durch ein ehemaliges Brandschutz-Pumpen-Spritzle erzeugt. Zwei "Feuerwehrmänner" (Heinz Hug und Hans Wagner) hatten zwar schon am Vormittag ihren "Brand" tüchtig gelöscht, hielten aber trotzdem tapfer auf ihrem Posten an der Spritze durch und ließen den Brunnenblätz kräftig auf die Zuschauer hinunters ... . Es war eine Saugaudi !

Das Jahr 1965 brachte für die Blätzlebuebe aber leider auch ein sehr betrübliches Geschehnis: Hadwig Müller, die Ehefrau des Blätzlevatters und meine Mutter, verstarb am 2. Juni kurz vor Vollendung ihres 75. Lebensjahres. Im Nachruf des SÜDKURIER war u.a. zu lesen: "Für viele Blätzlebuebe kam die Nachricht vom Hinscheiden ihrer lieben Blätzle-Oma recht unerwartet. Sie war zusammen mit dem Blätzlevatter Ludwig Müller in den Jahren 1934,1935 und 1936 am Aufbau der Konstanzer Blätzlebuebe-Zunft maßgebend beteiligt. Keine Arbeit war ihr zuviel und immer stand sie der Zunft und den einzelnen Blätzlebuebe zur Seite, wenn diese fraulichen Rat brauchten. Selbst im Alter war sie immer hilfsbereit und blieb dem Blätzlevatter eine stete Helferin und Beraterin."

1966

Zum Auftakt der Fasnacht 1966 nahm der Narrenrat an der Jahreshauptversammlung der Schwäbisch-Alemannischen Narrenzünfte am 15./16. Januar in Pfullendorf teil. Wegen des Glatteises beschloß man, mit dem Zug dorthin zu fahren, ein Entschluß; den man am Ende sicherlich bereute. Die Rückfahrt am Abend glich nämlich einer Odysee. Man fuhr planmäßig in Pfullendorf ab, die Stimmung war bestens. Doch plötzlich, einige Kilometer vor der Bahnstation Schwackenreute, blieb der Schienenbus stehen. Der Dieselkraftstofl war ausgegangen. Der Zugführer mußte die ganze Strecke bis zur nächsten Station zu Fuß zurücklegen, um nach Pfullendorf telefonieren zu können, man solle sofort Dieselöl heranfahren. Die Ratsplätz warteten im allmählich eiskalt werdenden Waggon. Die Stimmung sank wie die Temperatur unter den Nullpunkt. Um nicht elendiglich zu erfrieren blieb nichts anderes übrig als auszusteigen und sich durch Freiluftgymnastik einigermaßen warm zu halten. Nach über einer Stunde Wartezeit kam endlich der Bähnler mit einem Mopedle und einem Kanisterle voll Dieselkraftstoff angetuckert. Daß dieser Tropfen Sprit nicht einmal zum Anfahren ausreichte, versteht sich von selbst. Also fuhr der Bähnler wieder zurück nach Pfullendorf. Nach erneutem Telefonat kam nach einer weiteren halben Stunde ein Fahrzeug, das wenigstens soviel Kraftstoff geladen hatte, daß man damit bis nach Pfullendorf zurückrollen konnte. Dort wurde der Schienenbus (ebenso die halberfrorenen Blätz) endlich vollgetankt und die feuchtfröhliche Heimfahrt nach Konstanz verlief - außer der enorm verspäteten Ankunft - ohne weitere Pannen.

Merke: Blätzlebuebe sind hart im Nehmen und zeichnen sich stets durch außerordentliche Fitness und unwahrscheinlicher Kondition aus.

Im Sommer 1966 wurde die Zunft von einem schweren Schlag betroffen. Im August verstarb der Gründer, Organisator und Leiter der Zunft, unser Blätzlevatter Ludwig Müller, nach kurzer schwerer Krankheit. Im damaligen Hahneschrei (es war übrigens die erste Ausgabe unseres Zunftblattes) stand aus diesem Anlaß folgender Nachruf über meinen Vater:

Am 19. August verstarb unser lieber Blätzlevatter Architekt Ludwig Müller kurz vor Vollendung seines 81. Lebensjahres. Sein Tod hat uns mit großer Trauer erfüllt, denn wer ihm viele Jahre nahe sein durfte, spürte wie groß der Verlust ist, der unsere Zunft traf. Mit seinem Tode ist Konstanz und ganz besonders die Konstanzer Fasnacht um eine der ausgeprägtesten Persönlichkeiten beraubt. Ihm allein verdanken wir, daß die Gestalt des Konstanzer Bätzlebue nicht wie viel Althergebrachtes sang- und klanglos in Vergessenheit geriet. Als Bub trug er vor der Jahrhundertwende ein Blätzlehäs, das ihm seine Mutter nach altem Vorbild und Überlieferung nähte. Nach dem ersten Weltkrieg waren nur noch einzelne Häs in Konstanz vorhanden, und es war abzusehen, wann auch das letzte verschwunden sein würde. Mit gleichgesinnten Narrenfreunden gründete Ludwig Müller 1934 die Blätzlebuebe-Zunft und setzte sich all die Jahre bis zu seinem Tode für die Erhaltung und die Verbreitung des alten Brauchtums ein. Seine Mühe und seine Liebe waren nicht umsonst, denn er durfte miterleben, wie die Zunft größer wurde und immer festere Formen annahm. Sein Andenken kann nicht besser gewahrt werden, als durch die Erhaltung der Zunft und die Weitergabe des alten Brauchturus an unsere Kinder.

Zum Jahr 1966 ist noch zu erwähnen, daß erstmals an alle Zunftmitglieder die große Jahresmarke, der sogenannte Bierdeckel, ausgegeben wurde.

1967

Am 14./15. Januar nahmen die Blätzlebuebe an der ,,Räbefasnacht" in Baar am Zuger See teil. Die überaus freundliche Aufnahme und Betreuung durch die Räbe (=Rüben) Gäuggel führte zu einer engen Freundschaft mit dieser Zunft, die bis heute bestehen blieb. Außerdem beteiligten wir uns am Freunschaftstreffen in Engen. Für den Schmutzige Dunschtig 1967 hatten wir uns eine tolle Fasnachtsidee einfallen lassen, nämlich den Zirkus Blätzolini - Menschen, Viecher, Serpelloni. Auf der Marktstätte zogen wir vor einer großen Zuschauermenge eine Super-Sensations-Show ab. Eine Attraktion folgte auf die andere: Kunstradfahrer, Clowns, Kraftartisten, Pferdedressur, Bärentanz, der sprechende Esel, der indische Feuerschlucker, Seiltänzer, Parterre-Akrobaten und abschließend ein großes Finale. Bei jeder Nummer applaudierte das Publikum begeistert - ein Riesenerfolg!

Weitere Zunftaktivitäten 1967:

Am Fasnachtssonntag Teilnahme am Kreuzlinger Narrenumzug.

Die erfolgreiche Spendenaktion für den Blätzlebrunnen (Bausteine zu 250 u. 500 DM) erbrachte mehr als 10.000 DM an Spenden. Weitere 10.000 DM spendete die Sparkasse Konstanz. Somit war die Hälfte der Baukosten zusammengekommen. Die andere Hälfte übernahm die Stadt. Das Preisausschreiben über die Gestaltung des Brunnens gewann der Bildhauer Ernst Thomann aus Emmendingen. Nach seinem Modell sollte der Brunnen bis zur Fasnacht 1968 fertiggestellt sein. Der sogenannte Hertie-Platz sollte dann in Blätzle-Platz umbenannt werden.

1968

Am 27./28. Januar 13./14. Januar 1968 nahm die Zunft am Großen Narrentreffen der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte in Stuttgart-Bad Cannstatt teil. Wir Blätzlebuebe waren vom Ambiente des Festes ziemlich enttäuscht: In den Lokalen war nichts los, viele waren sogar geschlossen, nirgends Musik, kein Tanz, keine Fasnachtsdekoration. Ein langweiliger Festabend trug ebenfalls nicht dazu bei, die Stimmung zu heben. Wir nahmen uns vor, das Große Narrentreffen 1972 in Konstanz ganz anders und viel besser zu inszenieren.

Beim Blätzleball am 20.2. im "Barbarossa" wurden zum ersten Mal unsere wunderschönen Verdienstorden "Großer Blätz" in Gold, Silber und Bronze für langjährige Mitgliedschaft in der Blätzlebuebe-Zunft (40, 30 oder 20) Jahre verliehen.

Der Schmutzige Dunschtig 1968 (22.02.) war für die Blätzlebuebe-Zunft ein ganz besonderer Freudentag. Es war der Tag der Enthüllung und Inbetriebnahme des langersehnten Blätzlebrunnens. Unsere langjährigen Bemühungen hatten endlich zum Erfolg geführt. Der in Entwurf und Ausführung bestens gelungene Brunnen war fertiggestellt und stand auf dem Blätzleplatz, was natürlich für uns ein Grund war, ein hochnärrisches Fest zu veranstalten. Zum Auftakt um 14.30 Uhr spielten unser Fanfarenzug und der Musikzug des französischen 129. Infanterieregiments mit flotten Märschen auf. Die humorvolle Ansage der einzelnen Programmnummern übernahm Heinz Hug, Zunftmeister Adelmann sprach die Begrüßungsworte und übergab den Brunnen an die Stadt. Hierauf folgte unter Ho-Narro-Rufen die Enthüllungszeremonie. Originell kostümierte Brunnenpflegerinnen übernahmen die Brunnenreinigung, Staffelläufer mit Fackeln und einem Eimer mit nicht unbedingt umweltfreundlichem "Kaltbrunner Quellwasser" trafen ein. Nach einem Böllerschuß wurde der Brunnen durch den Oberbürgermeister und Ehrenblätz Dr. Bruno Helmle in Betrieb gesetzt und an die Bürgerschaft übergeben. Hunderte von bunten Luftballons stiegen in die Höhe, teilweise mit Gutscheinen für eine Bodensee-Rundfahrt versehen. Gammler (verlotterte Faulenzer, eine damalige Zeiterscheinung) umlagerten den Brunnen (Elefanten AG). Die zahlreich erschienenen Zuschauer waren von dem Schauspiel begeistert. Am nächsten Tag wurde von uns eine Metallbülse mit Urkunde, Münzen, Spendenliste, HAHNESCHREI usw. im Brunnenschacht eingemauert.

  Am Fasnachtssonntag beteiligten wir uns am großen Narrenumzug in Konstanz, wie üblich mit hunderten von Hästrägem. Die Fasnacht 1968 klang am Fasnachtsdienstag aus mit der Einladung der Zunft durch General Duchatelle und durch das 129. Infanterieregiment in der Jägerkaseme. Es wurde ein feuchtfröhlicher Nachmittag mit den französischen Soldaten bei Bier, Brezeln und Tanz.

1969

Am 8./9.Februar fand in Stockach ein Narren-Freundschafts-Treffen statt. Die Blätzlebuebe-Zunft beteiligte sich wie in all den Jahren zuvor, mit einer großen Gruppe bei prächtigem Wetter am Umzug durch die Straßen des alten Narrenstädtchens.

Am Schmutzige Dunschtig zeigten sich die Ratsfrauen unter dem Motto "Badespaß vor 100 Jahren" in "reizvollen" grünen Badeanzügen und Bademützen, Modell 1869, als Schwimmschülerinnen auf den Straßen und Plätzen der Altstadt Konstanz. Auf einem Wagen war ein "Galgen" befestigt, an dem die "Schülerinnen" mit Hilfe eines Bauchgurts einzeln hochgezogen wurden. Sie hingen dann freischwebend in der Luft und wurden von der Bademeisterin (Mirle Hug) in den richtigen Schwimmbewegungen unterwiesen. Das ganze Schauspiel war für die Zuschauer sicher sehr lustig, für die Frauen jedoch äußerst anstrengend. Sie hielten aber tapfer durch, ein Zeichen ihrer ausgezeichneten Kondition.

Am Fasnachtssonntag zog die Zunft bei eiskaltem Wind dem Umzug in Kreuzlingen voraus.

Am Fasnachtsmontag beteiligte sich eine unübersehbare Schar junger Mäschgerle an unserem Narresome-Umzug mit anschließendem Wurstschnappen.

Die bisherige, etwas makabre Form der Fasnachtsbeerdigung am Dienstag durch das Hinablassen eines kleinen Glassarges mit dem "Märte" in den Keller des Zunftlokals "Roter Knopf" erschien uns nicht mehr närrisch genug. Statt dessen bauten wir einen überlebensgroßen Blätz, der in seinem Innem eine riesige Anzahl von Knallkörpern barg. Dieser Riesenblätz wurde abends am Blätzleplatz angezündet. Fast eine halbe Stunde lang flogen die Knallfrösche und Heuler den vielen Zuschauern krachend, zischend und pfeifend um die Ohren, bis nur noch ein Häufchen Asche von der Figur übrigblieb.

1970

Die Hauptattraktion am Schmutzige Dunschtig dieses Jahres war das Auftreten der Zunft als große Zigeunergruppe auf der Marktstätte. Ein Bauhüttenwagen der Firma Serpelloni wurde in einen Zigeunerkarren verwandelt und mit löchrigen Kesseln, bunter Wäsche und alten Teppichen behängt. Wirklich echt aussehende Zigeunerkostüme wurden vom Theaterfundus besorgt; künstliche Bärte und schwarze Langhaarperücken vollendeten die Verkleidung. Es traten Kesselflicker, Teppichhändler, Messerschleifer, Wahrsagerinnen usw. auf. Auch ein fahrbarer Grillrost wurde mitgeführt, auf dem zur Gaudi der Zuschauer nicht nur Würste und Steaks, sondern auch Zwiebeln, Knoblauch, Luftballons, alte Socken und anderes Lumpenzeug gegrillt wurden. Qualm und Gestank waren umwerfend und wenig umweltfreundlich.

Am Fasnachtssonntag führten wir den großen Konstanzer Narrenumzug wie stets mit 300-400 Blätzlebuebe an.

Am 1.4.1970 trat unser Zunftmeister Hermann Adelmann aus Gesundheitsgründen zurück. Er leitete die Zunft sieben Jahre lang vorbildlich und hat sich große Verdienste erworben. Zum neuen Zunftmeister wurde Franz Kuster gewählt.

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06.08.2010
Uli Topka
Hahneschrei 1993 - 1996. Autor: Peter Müller